Leistungsspektrum der Neuroradiologie / Radiologie

Die mechanische Thrombektomie (mTE) beim akuten Schlaganfall ist mittlerweile ein anerkanntes und evidenz-basiertes Behandlungsverfahren. In vielen hochrangig publizierten, internationalen, prospektiv-randomisierten Studien (u.a. MR CLEAN, SWIFT PRIME, REVASCAT, IA EXTEND, THRACE, THERAPY) konnte die hohe Wirksamkeit der mechanischen Thrombektomie überzeugend gezeigt werden. Weitere randomisierte Studien (DAWN, DEFUSE 3) belegen für ausgewählte Patienten sogar eine hohe Effektivität selbst im erweiterten Zeitfenster bis 24 Stunden nach Symptombeginn.

Bei der Indikationsstellung zur mechanischen Rekanalisation steht neben der MRT die multimodale Computertomographie (CT) im Vordergrund. Dabei lässt die native cerebrale CT erkennen, ob bereits ein frischer Infarkt demarkiert ist oder eine andere Ursache wie z.B. eine Parenchymblutung als Ursache für die neurologische Ausfallssymptomatik verantwortlich gemacht werden muss. Die brachiocepahle CT-Angiographie liefert neben dem Nachweis des Verschlusses eines großen Hirnbasisgefäßes zusätzlich wesentliche Informationen über die Anatomie und Gefäßwandveränderungen der vorgeschalteten supraaortalen Arterien. Zusätzlich kann die Effektivität der Kollateralversorgung des vom Verschluss abhängigen Hirngewebes eingeschätzt werden. Bei unklarem Zeitfenster (Symptombeginn), Infarktfrühzeichen oder Diskrepanz zur Schwere der Klinik liefert die CT-Perfusionsmessung wichtige Informationen über die Größe des zu erwartenden Infarktkerns und des potentiell rettbaren Gewebes - Penumbra (Mismatch-Konzept).

Multimodales CT
Multimodale CT-Diagnostik beim Schlaganfall im unklaren Zeitfenster mit Halbseitenlähmung links (a). Die brachiocephale CT-Angiographie (b) demonstriert einen Verschluss des mittleren hirnversorgenden Gefäßes rechts. Die CT-Perfusionsmessung (c) ergibt ein Perfusionsdefizit des gesamten Territoriums des mittleren Hirngefäßes rechts bei erhöhtem zerebralen Blutvolumen (ZBV) gegenüber der linken Seite als Ausdruck der Inanspruchnahme der Dilatationsreserve zur Aufrechterhaltung des Strukturstoffwechsels – prognostisch günstig.

Multimodales CT
Multimodale CT-Diagnostik beim Schlaganfall mit Halbseitenlähmung links seit 3,5 Stunden (a) mit Infarktfrühzeichen. Die brachiocephale CT-Angiographie (b) demonstriert einen Carotis-T-Verschluss rechts, In der CT-Perfusionsmessung (c) ergibt sich ein Mismatch zwischen großem Perfusionsdefizit für das gesamte Territorium des mittleren Hirngefäßes rechts (grün – potentiell rettbares Gewebe) und kleinen Infarktkern im Bereich der Stammganglien rechts (rot).

Nach interdisziplinärer Befundbesprechung erfolgt die Indikationsstellung zur mechanischen Thrombektomie.

Diese erfolgt in Allgemeinnarkose unter strengem Blutdruckmanagement. Über eine Leistenpunktion wird ein großlumiger Einführungskatheter (Innenlumen 2 mm) bis in die Halsschlagader vorgeführt. Hierüber werden multiaxial Absaug- und Mikrokatheter mit vorlaufendem Mikrodraht eingeführt. Mit dem Mikrokatheter-/-drahtsystem wird unter permanenter Röntgenkontrolle die Verschlussstrecke des verschlossenen Gefäßes im Gehirn sondiert. Nach Entfernung des Mikrodrahtes kann ein Stentretriever über die Verschlusstrecke platziert und der Absaugkatether an das Verschlussmaterial herangeführt werden. Nach Rückzug des Stents kann anschließend mit kontinuierlichem Sog das Verschlussmaterial aspiriert und entfernt werden. In geübten Händen gelingt die komplette Rekanalisation in über 95% der Fälle. In der Mehrzahl der Fälle dauert der Eingriff weniger als 20 Minuten.

mTE MCAO
Digitale Subtraktionsangiographie der linken Arteria carotis interna (a) mit embolischem Verschluss des mittleren Hirngefäßes (MCAO). Nach Sondierung der Verschlusstrecke Freisetzung eines Stentretriever über der Verschlussstrecke und Heranführen des Absaugkatheters an den Verschluss (b). Nach einer Passage des kombinierten Stentretrieving- / Absaugmanövers ist das abhängige Versorgungsgebiet wieder komplett frei durchblutet (c). Es konnte ein gemischtförmiger Thrombus entfernt werden (d).

In einzelnen Fällen müssen vor dem Erreichen des intrakraniellen Gefäßverschlusses vorgeschaltete Stenosen oder frische Verschlüsse rekanalisiert und mittels Stent-PTA behandelt werden. Auch intrakranielle Gefäßstenosen können Ursache eines akuten Gefäßverschlusses sein. Sie werden ebenfalls in gleicher Sitzung endovaskulär mit behandelt.

Akutes Stenting ICA-Stenose extrakraniell
Digitale Subtraktonsangiographie bei akutem Abgangsverschluss der Arteria carotis interna rechts (a) durch Plaqueruptur mit arterioarterieller Embolie und M1-Verschluss (c). Multiaxiale Rekanalisation des Verschlusses (b) und mechanische Thombektomie des nachgeschalteten M1-Verschlusses rechts (d). Anschließend Stent-PTA der ursächliche ICA-Stenose (e).

Akutes Stenting BA-Stenose
Digitale Subtraktionsangiographie bei akutem Verschluss der proximalen Arteria basilaris (a). Nach Passage der Verschlussstrecke und Vordilatation erfolgt die Wiederherstellung der antegraden Durchblutung mit Einlage von zwei Stents (b und c).

Im Institut für klinische und interventionelle Neuroradiologie des Vivantes Klinikum Neukölln (KNK) werden etwa 200 mechanische Thrombektomien pro Jahr durchgeführt. Dabei beträgt der Anteil externer Sekundärzuweisungen 30 bis 35 %.
Seit März 2020 erfolgt die Mitversorgung des Vivantes-Standortes Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK) durch das ärztliche neurointerventioelle Team des KNK. In den anderen Standorten des NVN erfolgt die endovaskuläre Schlaganfallbehandlung durch entsprechend qualifizierte Teams vor Ort. Die Neuroradiologie im KNK steht als Backup auch für die Partnereinrichtungen rund um die Uhr zur Verfügung. Insgesamt werden im NVN etwa die Hälfte aller mechanischen Thrombektomien in Berlin durchgeführt.

Die ständige Analyse und Verbesserung der Prozesszeiten von Eintreffen des Patienten in der Rettungsstelle bis zur Wiedereröffnung des Gefäßverschlusses sichert ein bestmögliches Outcome der Patienten. Jeder dritte primär schwer betroffene Patient mit dem häufigsten Verschluss des mittleren Hirngefäßes (MCAO) kann nach der mechanischen Thrombektomie mit einem nicht behindernden neurologischen Defizit entlassen oder verlegt werden.

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